Samstag, 25. März 2023

Farblose Grüne Gedanken

"Colorless green ideas sleep furiously", mit diesem eigentlich sinnlosen Satz hat der Sprachwissenschaftler Noam Chomsky einen bedeutenden Beitrag zur Sprachwissenschaft und -forschung geschrieben. Der Satz bezieht sich auf die These, dass wir als Menschen eine Art innere Grammatik besitzen, die es uns ermöglicht, grammatikalisch richtige Sätze von grammatikalisch falschen Sätzen zu unterscheiden. Nehmen wir den Satz und vertauschen die einzelnen Bestandteile in "*Green ideas colorless furiously sleep" klingt er für die meisten Menschen direkt ungrammatikalisch und falsch.
Lange Zeit galt die Idee einer "inneren angeborenen Grammatik" in weiten Teilen der Sprachforschung als ein absurdes Hirngespinst. Stattdessen ist man bisher weitläufig davon ausgegangen, dass der Sinn eines Satzes durch die statistische Berechnung von Wörtern und Wortfolgen sowie gewissen Lautreizen im Gehirn verarbeitet wird. Wissenschaftler*innen der Max-Plank-Instituts für empirische Ästhetik haben jetzt allerdings durch Versuche herausgefunden, dass unser Gehirn tatsächlich Wörter, Phrasen und Sätze klar voneinander unterscheidet und der Reihe nach verarbeitet. Nachgewiesen werden konnte diese Entdeckung durch die Aufnahme der Hirnaktivitäten mithilfe von EEG-Untersuchungen. Dabei wurden die Schwingungen der Hirnströme gemessen und verglichen. Wurden nur einzelne Worte aneinandergereiht, ergaben die Auswertungen einen schnelleren Rhythmus der Hirnströme als bei der Verarbeitung von vollständigen Sätzen. Die Forscher*innen konnten so nachweisen, dass unser Sprachverständnis tatsächlich aufgrund einer abstrakten "inneren Grammatik" aufbaut.
Quelle: https://www.aesthetics.mpg.de/institut/news/news-artikel/article/wir-haben-die-grammatik-verinnerlicht.html




Dienstag, 14. März 2023

Drauf gepfiffen

 Wir alle haben bestimmt schon einmal jemandem hinterher gepfiffen; sei es, dass wir die Aufmerksamkeit auf uns lenken wollten, oder aus flirttechnischen Gründen.
Auf der spanischen Insel La Gomera hat sich jedoch ein ganzes Kommunikationssystem in Form von Pfiffen ausgebildet.
Diese vereinfachte Kommunikation, "El Silbo" genannt, ermöglicht es den Sprechern, bestimmte Informationen über große Entfernungen schnell zu übertragen.
Insgesamt können 2 Vokale und 4 Konsonanten wiedergegeben werden. Das reicht sicherlich nicht aus, um sich ausführlich über den letzten Urlaub zu unterhalten oder hochwissenschaftliche Reden zu halten, aber wichtige, kurze Informationen lassen sich so schnell und einfach vermitteln.
Durch diese geringe Anzahl von Ausdrucksmöglichkeiten kann "El Silbo" daher auch nicht als eigene Sprache angesehen werdern, sondern eben nur als Kommunikationssystem.

Entwickelt hat sich dieses Kommunikationssystem schon vor mehreren Jahrhunderten auf der Insel, erste Erwähnungen sind ab dem 15. Jahrhundert vorhanden.
Seitdem ist es mündlich von Generation zu Generation weitergetragen worden und konnte sich so bis heute erhalten.
Seit 2009 ist "El Silbo" Bestandteil der Repräsentativen Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit der Unesco. Mittlerweile ist "El Silbo" sogar Pflichtfach an den Schulen auf der Insel und demnächst soll ein Lehrstuhl zur Erforschung und Weiterbildung von "El Silbo" eingerichtet werden. Vielleicht entwickelt sich ja so in ein paar Jahrhunderten doch noch eine vollständige Sprache.

 


 

Donnerstag, 2. März 2023

Pasta, Pinta und blaue Pants

 Was haben eine Jeans, ein berühmtes Pesto und Christoph Kolumbus gemeinsam? Sie alle kommen aus Genua und haben von dort ihren Siegeszug durch die Welt gestartet.
Bei dem Pesto handelt es sich natürlich um das berühmte Pesto Genovese, das man auch selber leicht herstellen kann. Dazu benötigt man lediglich Basilikum, Pinienkerne, etwas Parmesankäse, Knoblauch sowie frisches Olivenöl. Alles miteinander in einem Mörser oder Zerkleinerer vermixen und fertig ist das Pesto.

Christoph Kolumbus wurde um 1451 als Cristoforo Colombo in der Hafenstadt geboren, ehe er sich 1492 im Auftrag der spanischen Krone auf den Weg machte und auf dem Seeweg nach Indien eher zufällig Amerika entdeckte.


Was aber haben jetzt die Blue-Jeans mit Genua zu tun? Die Antwort darauf ist relativ simpel. Als die ersten robusten Hosen entwickelt wurden, nahm man bevorzugt Stoff aus der italienischen Hafenstadt Genua, die in der Sprache der Mode, französisch, als Gênes bekannt ist. Aus der englischen Aussprache des "étoffe de Gênes", also des Stoffes aus Genua entwickelte sich im Laufe der Zeit der Begriff Jeans.

 

 


Freitag, 17. Februar 2023

Eine Klasse für sich

 Im europäischen Sprachraum haben sich im Laufe der Zeit bis zu drei grammatikalische Geschlechterrollen definiert, in die wir unsere Nomen einsortieren können. Die deutsche Sprache ist mit ihren 3 unterschiedlichen grammatikalischen Geschlechtern, die auch noch von dem natürlichen Geschlecht abweichen können, schon eher ein Exot unter den Sprachen.
Es geht allerdings noch exotischer. Besonders in den Bantusprachen in Mittel- und Südafrika, aber auch in einigen Sprachen Mittel- und Südamerikas existieren so genannte Nominalklassen. Diese Klassen unterscheiden Nomen Aufgrund ihrer Bedeutung oder ihrer Art. In den Mixtexsprachen in Mexiko existieren z.B. mindestens als 8 dieser Klassen. Insgesamt sprechen rund 480.000 Menschen diese Sprache, die sich dabei allerdings auf mehrere Dialekte verteilt. Die einzelnen Dialekte weichen teilweise so stark voneinander ab, dass eine Kommunikation untereinander kaum möglich ist. So ist es auch nicht verwunderlich, dass nicht jede Nominalklasse in jedem Dialekt vorkommt.
Die Klassen teilen Objekte und Personen in verschiedene Gruppen ein. Dabei wird neben der üblichen Unterscheidung zwischen männlich und weiblich auch zwischen jung und alt sowie zwischen menschlich und tierisch, heiligen Gegenständen, Flüssigkeiten und nicht animalischen Gegenständen unterschieden. Für jede Klasse existiert ein entsprechender Klassifizierer, der an das Nomen angehängt wird, sowie ein eigenes Pronomen.
Für den Dialekt San Cristobal Amoltepec sieht das Ganze dann zum Beispiel wie folgt aus:

San Cristobal Amoltepec
Erste und zweite Person

1 respektvoll sá a, sañá / saán
1 familär i R m-b, rì b / rùꞌu
2 respektvoll ní a / ndíꞌí
2 familiär ró m(a), ro b(ba) / róꞌó
inklusiv ó m(a), o b(ba) / yóꞌó

 
Dritte Person

3 männlich Erwachsen de b teè 
3 weiblich Erwachsen ñà m(a) ñàꞌà (a) 
3 Kind ì m suchì (a) 
3 Tier t b(ba) kìtì (a) 
3 Gottheit ya b ìya 
3 Wald / Bäume nu b(ba) yùtnù (a) 
3 Wasser de b ndùtè (a) 
3 unbelebt ì m -- a mb(ba)
Other
emphatisch màà m.m(a) + enclitic
bekanntes Objekt ñà m(a) / ñàꞌà m.m(a)
3 unbelebt proklitisch a mb(ba)
Mehrzahl Verbphrase ka (Gegenwart und Vergangenheit ), j (Zukunft)

(Quelle: https://www.sil.org/system/files/reapdata/10/73/22/107322697021627876326426177876989428836/Mixtec_Pronoun_database.pdf)

 
Bei so vielen Klassen bleibe ich doch lieber bei unseren drei grammatikalischen Geschlechtern, auch wenn diese nicht immer den natürlichen Geschlechtern folgen.


 

Donnerstag, 9. Februar 2023

Ein Laut der Stille

 Ist euch schon einmal aufgefallen, dass der Sprechfluss von schweizerdeutschen Sprecher*Innen sich irgendwie fließender und gebundener anhört als der Sprechfluss von deutschen Sprecher*Innen? Der Grund dafür liegt im so genannten "stimmlosen glottalen Plosiv" oder "Glottisschlag", der bei der Aussprache von Vokalen in der hochdeutschen oder standarddeutschen Sprache vorkommt. Gemeint ist damit dieser kurze Verschluss im Gaumen, der verwendet wird, sobald ein Vokal zum Beginn eines Wortes oder zum Beginn einer Komposition auftritt. Der Glottisschlag kann dabei sogar wortendscheidende Veränderungen bewirken, wie z.B. in den beiden Begriffen (das) Spiegelei und (die) Spiegelei. Auch wenn man mit dem zweiten Begriff nicht unbedingt etwas anfangen kann, so wird er vermutlich unbewusst anders ausgesprochen werden als der erste.

Das Sprachphänomen des Glottisschlags tritt auch in anderen Sprachen auf, allerdings häufig in einem anderen Zusammenhang. Der Stød im Dänischen z.B. wird tatsächlich verwendet um schriftsprachlich gleiche Wörter phonetisch unterschiedlich zu realisieren. So werden einige Nomen und die dazugehörigen Verben, wie z.B. /læser/ dt. lesen oder Leser lediglich durch den Stød unterscheidbar. Auch die englische Sprache kennt den Glottisschlag, der besonders in dem als vornehm geltenden Londoner Cockney-Dialekt zum Ausdruck kommt. Hier wird er allerdings als Ersatzlaut für ein eigentlich zu erwartendes [t] verwendet. In der hebräischen und arabischen Sprache existieren sogar tatsächliche Schriftzeichen, die die Verwendung eines Glottissschlags im Wort anzeigen. So existiert im Hebräischen der Buchstabe Alef (א) sowie im Arabischen der Buchstabe Hamza (ء) um diesen Laut grafisch darzustellen.

 Übrigens: Auch die Pause in "Sprecher*Innen" ist phonetisch betrachtet das gleiche Phänomen wie die Pause im "Spiegel*ei". 



Farblose Grüne Gedanken

"Colorless green ideas sleep furiously", mit diesem eigentlich sinnlosen Satz hat der Sprachwissenschaftler Noam Chomsky einen bed...